Mittwoch, 16. Februar 2011

nostalgische Fundstücke

Manchmal krame ich meine alte Belstaffjacke mal wieder aus dem Fundus.
Nach 30 Jahren ist sie längst nicht mehr wasserdicht, aber bei Wind tut sie´s noch. Ich häng´ an diesem verknautschten Teil. Der Sticker an der Tasche ist noch ein paar Jahre älter als die Jacke selbst und hat seinen Platz dort nie verlassen.
Die Jacke stammt noch aus den Zeiten, als man ein Mopped vom 1. März bis zum 31. Oktober angemeldet hatte und auch tatsächlich damit gefahren ist.
Auch, weil die Schrottkarre die man für 500 Mark im Herbst gekauft hatte, um irgendwie auch im Winter mobil zu sein, den Geist schließlich doch aufgegeben hatte und abgemeldet werden musste. Zwei Mal im Jahr in der Zulassungsstelle zu sitzen war eben Usus.
Man fuhr auch die ganze Saison in Belstaff, Jeans und Holzschuhen, weil Verkleidungen, Lederkombis und Protektoren nur etwas für Warmduscher und Nichtselbstschrauber waren. Selbst Goldwings hatten noch keinen Kühlschrank, keine Stereoanlage und keinen Rückwärtsgang.
Und Hailwood-Replikas standen nicht nur im Museum, die fuhren tatsächlich auch auf den Straßen.
Ich glaube ich verfrans mich gerade ein wenig in nostalgischen Anwandlungen.

Zurück zur Jacke die sich aus unerfindlichen Gründen alle paar Monate wieder an einen meiner Garderobenhaken verirrt.
Beim Anziehen ein Knistern in der Tasche. Ich wollt ja nur wissen was es ist und schieb die Hand rein, musste ein wenig graben um an den Grund zu kommen.

Der Weltraum, unendliche Weiten... Wir befinden uns in einer fernen Zukunft.
Dieses sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise, das viele Lichtjahre von der Erde entfernt unterwegs ist, um fremde Welten zu entdecken, unbekannte Lebensformen und neue Zivilisationen. Die Enterprise dringt dabei in Galaxien vor die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.


Ich schweif schon wieder ab...

Ein paar Hülsen von Platzpatronen. Weiß der Geier wozu ich die mal gebraucht habe.
Und ganz unten zwischen den Knitterfalten verborgen, eine zusammengedrehte Roth Händle Packung. (gibt’s die überhaupt noch?) Ist auf jeden Fall auch schon so circa 30 Jahre her, dass ich das letzte Mal Roth Händle geraucht hab (bäh). Und in der Schachtel verknüllt ein paar staubige Reste in Alufolie.
Na, das wird wohl nach 30 Jahren Dunkeldasein in einer Jackentasche nicht mehr zu gebrauchen sein, ist ja sogar der Erwerb schon verjährt.
Jedenfalls habe ich mich nicht mehr getraut auch noch in den anderen Taschen zu graben, wer weiß was da noch alles zum Vorschein kommt.
Ok, andere haben ihre Leichen im Keller. Ich habe nicht einmal einen Keller. (Ist vielleicht auch besser so, wer weiß...)

Und wie sich das gehört bei so einem Fundstück, gleich noch eine nostalgische Anwandlung dazu.
Vor 30 Jahren.... da gab es noch nicht so ekligen Schwachsinn wie Cola-light, alkoholfreies Bier und light-Produkte. Man konnte auch nicht einfach so über die Autobahn nach Berlin brettern, ein Sonnenbrand war noch nicht lebensbedrohlich und ein Liter Sprit hat noch nicht mal eine Mark gekostet.
Für 10 Mark konnte man noch zu zweit ins Kino gehen. Musste man auch, wenn man einen Film sehen wollte, weil ein VHS Rekorder noch soviel kostete wie 500 Kinobesuche oder ein fast neues Mopped.
Den Moppedführerschein gab es nur in Klasse 1 und man konnte sich auf das Traumgefährt setzen, wenn man es sich leisten konnte, egal wieviel PS es hatte.
Das hat man entweder ohne größere Blessuren überstanden oder ist ein halbes Jahr an Krücken gehumpelt und hat die verpasste Saison bedauert.
Wenn man sich eine neue Jeans gekauft hat, dann war die bretthart und dunkelblau, nix mit Stretch und vorgewaschen. Und die Löcher haben wir da selbst reingelebt und keine Designer dafür bezahlt.
Musik gab es auf schwarzen Vinylscheiben, mit denen man sorgsam umgehen musste damit sie nicht zerkratzten. Seine Eigentum erkannte man immer an einem Knistern oder Holpern an bestimmten Stellen wieder. Kassetten gab es auch, die hatten aber den Nachteil sich andauernd zu verheddern und dann nicht mehr abspielbar zu sein.
Die haben im Autoradio immer so herrlich gejault wenn`s zu warm oder zu kalt war.
Wenn am Fahrzeug mal irgendwo das Licht ausging, dann konnte man das mit einem Schraubenzieher und wenigen Handgriffen noch selbst regeln und musste nicht in eine Fachwerkstatt, damit am Computer die Warnleuchte wieder zurückgesetzt werden konnte.
Wir haben im Auto sogar noch unsere Scheiben selbst runter gekurbelt.
Im Sommer hat man im Auto geschwitzt (und ist schon deshalb lieber Mopped gefahren) und im Winter hat man das Eis nicht nur außen kratzen müssen.
Wir haben noch jedes Bier einzeln bezahlt, weil es Flatrate-Koma-saufen noch nicht gab.
In jeder Stadt gab es mindestens ein besetztes Haus und wenn wir abends (ohne Führerschen oder fahrbaren Untersatz) irgendwo hinwollten, dann haben wir brav zum Trampen in einer Schlange angestanden bis wir dran waren. Irgendwer hielt immer an.
Und wenn man mit jemandem etwas zu klären hatte, dann musste man das direkt machen und sich dabei in die Augen sehen. Computer, Internet und alles was dazu gehört war noch ziemlich weit weg. Wir haben sogar noch Briefe mit der Hand geschrieben.

Die Straßen waren noch voller Enten und Käfer und niemand hat sich Gedanken um Rußpartikel und Mülltrennung gemacht. Milch gab es in schwabbeligen Plastikschläuchen und andere Getränke aus richtigen Glasflaschen.
Wir haben uns keine Gedanken um Altersvorsorge und Hartz4-Tagessätze gemacht.
Niemand von uns hat den ganzen Tag planlos vor der Glotze gehockt und sich blöde Doku-Soaps und Gerichtsshows angesehen.
Zu alt für die Sesamstraße und zu jung für´s Samstag-Abend-Programm.
Allenfalls Klimbim konnte uns vor die Glotze locken.
Auf dem Dach stand noch eine Stahlantenne mit der man eh nur 3 Programme empfangen konnte. Niemand wäre auf die Idee gekommen sich so einen 60 cm-Wok an die Wand zu schrauben, nur um 1000 verschiedene TV-Programme empfangen zu können.
Unsere Adrenalin-Kicks haben wir uns auf dem Mopped und nicht bei irgendwelchen Extremsportarten geholt. Höher, schneller, weiter war nicht unsere Prämisse. Wer was auf sich hielt hatte blaue Krümmer und angeschliffene Fußrasten.
Und wenn man nicht zuhause war, dann war man eben nicht zu erreichen.
Es gab sogar Leute wie mich, die hatten nicht einmal ein Telefon. Der gelbe Glaskasten war ja um die Ecke, auch wenn man schon nicht mehr für 2 Groschen endlos lange quatschen konnte.
Zahnärzte, Rechtsanwälte und Architekten fuhren Porsche und keine Harley.
Popper waren affige Prolls in Poloshirts und hatten Trottel an den Schuhen.
Punks waren ok, Faschos waren Abschaum und Polizisten waren Bullenschweine, außer man kannte sich persönlich.
Wir waren so herrlich intolerant.

Und heute?
Sind Moppeds und Fahrer im Joghurtbecherdesign farblich so aufeinander abgestimmt, dass man kaum weiß, welcher Teil wozu gehört. Das Mopped wird nur bei schönem Wetter aus der Doppelgarage geholt. Ansonsten fährt man BMW oder Audi und hat beides das ganze Jahr angemeldet.
Man ist jederzeit und überall erreichbar, sogar unter dem Motorradhelm steckt ein Headset. Demnächst kann man sich wahrscheinlich bei einer Panne auch per Bluetooth mit der nächstgelegenen Werkstatt vernetzen.
Wenn irgendein Netz mal für ein paar Stunden schlapp macht fühlen wir uns gleich von der Welt abgeschnitten und es gibt inzwischen wohl nichts mehr, was es nicht auch irgendwo als App gibt.
Und für wirklich alles gibt es heute komplizierte Umschreibungen, bei denen kein Mensch mehr weiß was sich eigentlich dahinter verbirgt.
Die Formulierung „Menschen mit...“ finde ich sowas von übelst, als wenn es unbedingt nötig wäre ihre Menschlichkeit noch speziell zu betonen.
Naja, Hauptsache es gibt für alles irgendwo eine formulargerechte Schublade.
Wieso kann man eigentlich nicht mehr in schlichten Worten sagen was Sache ist?


Irgendwie war früher doch alles besser...

Und die Musik war einfach grandios:



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